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Sternchen, Doppelpunkte, Sprachakrobatik

Wie das Gendern der deutschen Sprache die Luft abschnürt

Es klang zunächst nach einer guten Idee: mehr Gerechtigkeit durch Sprache. Mehr Sichtbarkeit für alle Geschlechter. Doch was als Fortschritt gefeiert wurde, hat sich sprachlich zu einem Hindernisparcour entwickelt – und zwar zu einem, bei dem selbst geübte Muttersprachler regelmäßig stolpern.

Denn das Gendern ist vor allem eines: sperrig.
Nicht unbequem im Sinne von „gewöhnungsbedürftig“, sondern wirklich sperrig. Als hätte man der Sprache kleine Stolperdrähte eingebaut.
Leserinnen.*
Kund:innen.
Mitarbeiter_innen.
Spricht man es aus, klingt es wie ein Husten im Satz – oder wie jemand, der beim Reden über einen Teppichrand gestolpert ist.

Das neue Hochdeutsch: Hochkomplex

Deutsch war nie leicht. Aber jetzt mutiert es zur sprachlichen Ingenieursdisziplin. Man muss geradezu taktisch vorgehen, um einen Satz zu bauen, der sowohl gendergerecht als auch lesbar bleibt. Und am Ende klingt es dann doch wieder nach Betriebsanleitung. Oder schlimmer: nach betulicher Behördensprache, die allen gefallen will – und niemandem wirklich dient.

Statt klarer Worte gibt es jetzt Konstruktionen, bei denen selbst Google Translate kapituliert. Und wenn dann vom „Studierenden“ gesprochen wird, obwohl jemand längst exmatrikuliert ist, wird klar: Die Lösung erzeugt neue Ungenauigkeit, statt welche zu beseitigen.

Sprache als Symbolpolitik

Was ursprünglich mal als Brücke gedacht war, wird zunehmend zur Barriere. Zwischen Schreibenden und Lesenden. Zwischen Sprechern und Zuhörern. Und ganz ehrlich: Wer beim Vorlesen jedes Sternchen mit einer Atempause zelebrieren muss, klingt nicht inklusiv – sondern unfrei.

In Wahrheit hat sich das Gendern zu einer Art sprachlicher Gewissensprüfung entwickelt. Wer nicht mitmacht, gilt als rückständig. Wer zu laut zweifelt, als reaktionär. Dabei darf man das Gendern kritisieren, ohne gleich alle Anliegen dahinter infrage zu stellen. Man darf auch sagen: Diese Form von Sprachgerechtigkeit wirkt oft wie Symbolpolitik – wohlklingend, aber in der Wirkung bescheiden.

Sprache braucht Rhythmus, nicht Ruckeln

Was wir vergessen: Sprache soll nicht nur korrekt sein – sondern auch schön. Flüssig. Kraftvoll. Und verständlich. Sie soll verbinden, nicht überfordern. Aber wenn sich selbst gut gemeinte Botschaften anhören wie amtliche Gebrauchsanweisungen, läuft etwas schief.

Wir sollten unsere Sprache nicht zu Tode moralisieren. Nicht jedes Substantiv muss zum politischen Statement werden. Es gibt auch noch Inhalt, Tonfall, Haltung – und vielleicht ist es an der Zeit, diese Ebenen wieder ernster zu nehmen als das bloße Genderzeichen.

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