„Ich habe es doch gleich gewusst“, polterte mein alter Freund an jenem Abend als in geselliger Runde das Thema „Nahles“ auf den Tisch kam. „Und ich dachte noch, gib ihr eine Chance! Aber nein, sie wirft hin! Dabei dachte ich von Anfang an, mein Bauchgefühl sagte es mir einfach, auf sie ist kein Verlass!“
Ich wusste, dass er Frau Nahles nie leiden konnte. Nicht ihre politische Ausrichtung. Nicht ihre Art. Insofern hätte er sich ja eigentlich über den Rücktritt freuen können. Dass er das aber nicht tat, das fand ich sehr interessant, denn hier wurde ein wesentliches Moment erfolgreicher Kommunikation sichtbar. Von erfolgreicher Kommunikation mit anderen und mit sich selbst.
Kommunikativ erfolgreich? Das geht über die richtigen Worte, gute Argumente und eine exzellente Rhetorik. Soweit die gängige Vorstellung von erfolgreicher Kommunikation. Ob im Business, in der Öffentlichkeit oder im Privaten.
Fakt ist aber, dass diese äußeren Aspekte nur 50 Prozent des kommunikativen Erfolges ausmachen. Die anderen 50 Prozent hängen mit einem inneren und somit unsichtbaren Aspekt zusammen: dem Bauchgefühl.
Dass er dieses in Bezug auf seine Einschätzung von Frau Nahles vernachlässigt hatte, ärgerte meinen alten Freund. Er hatte ihr eine Chance geben wollen, und rational anerkennen müssen, ja wollen, dass sie doch einen guten Job macht. Und für die Koalition eine wichtige Rolle gespielt hat. Er hatte seinem Kopf die Führung überlassen und seine Intuition vernachlässigt.
Dies geht vielen Menschen so. Der Kopf arbeitet häufig gegen den Bauch.
Wie weit wir uns als Menschheit auch von den Anfängen entfernen: Unser Steinzeiterbe ist nach wie vor aktiv – und auch wichtig. Plakativ gesagt: Früher mussten wir angesichts des Säbelzahntigers ad hoc entscheiden, was wir tun. Für rationale Abwägungen war keine Zeit. Überleben war, der Erfahrung zu vertrauen. Seinem Bauchgefühl.
Das Bauchgefühl (oder Intuition) ist auch heute noch eine wichtige Instanz, um unsere Entscheidungen und Einschätzungen zu steuern.
Mein Tipp: Wenn Sie merken, dass Sie sich nicht entscheiden können, dass Ihnen bei Entscheidungsschwierigkeiten eine Pro-Contra-Liste auch nicht weiterhilft – dann hören Sie auf Ihr Bauchgefühl. Für eine Entscheidung oder Position brauchen Sie nicht noch mehr rationale Argumente. Sie brauchen ein Gespür für das, was Sie wollen.
Sie brauchen die Verbindung mit Ihrem Bauch. Dann sind Sie direkt und auch respektvoll (denn dann hören Sie auf sich) in der Kommunikation mit sich selbst. Dass mein alter Freund diese Kommunikation mit sich unterbrochen hatte, war das, was ihm zusetzte.
In dieser Welt, die von Daten und Fakten geprägt ist, haben wir verlernt, auf das Bauchgefühl zu hören. Dabei ist genau die Verbindung zwischen Bauch und Hirn diejenige, die nicht nur hilft, Entscheidungen zu treffen, sondern auch erfolgreich zu kommunizieren.
Wem vertrauen Sie eher:
Jemandem, der Worthülsen verwendet oder die Worte anderer nachplappert? – Oder jemandem, der aus Erfahrung spricht?
Jemandem, der seine Agenda auspackt, um die anderen für seine Pläne zu gewinnen? – Oder jemandem, der ein Gespür für die Situation hat und bemerkt, wenn es angebracht ist, einfach nur zuzuhören?
Das Gespür für die Situation, für die andern und für die passende Ansprache, haben wir dann, wenn wir ein gutes Gespür für uns selber haben. Deshalb ist die Kommunikation mit sich selbst – also der Dialog zwischen Kopf und Bauch – die Voraussetzung für eine gute Kommunikation mit den anderen.
Kultivieren Sie Ihr Gespür und trauen sich ihm zu folgen, werden Sie Ihre Menschen nicht nur rational, sondern auch emotional erreichen. Und Sie werden sich nur auf der Sachebene verstanden fühlen, sondern auch als Mensch.
Wenn wir kommunizieren, wollen wir zweimal verstanden werden: einmal rational, einmal emotional. Vollständig sind wir also nicht nur mit Kopf. Also: Trauen Sie sich, Ihrem Bauchgefühl zu folgen. Zeigen Sie, wer Sie sind, wie Sie ticken, was Ihre Meinung ist. Hinter einer Zeitung sollte auch immer ein kluger Bauch stecken.
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